Klimabilanz nach vier Jahren: Verwaltung noch nicht auf Kurs
Die Stadtverwaltung muss für das eigene Netto-Null-Ziel 2035 einen Gang höher schalten. Netto-Null bis 2040 kommt voran, in den Bereichen Mobilität und Konsum jedoch langsamer als geplant. Dies stellen der «Umweltbericht» und der «Vierjahresbericht zum Energie- und Klimakonzept» der Stadt fest, welche letztens veröffentlicht wurden.
Der Vierjahresbericht der Stadt Winterthur blickt auf die letzten vier Jahre Klimapolitik zurück und erschien dieses Jahr zum ersten Mal. Grosse Herausforderungen seien die Mobilität und der Konsum. Diese müssten deutlich und rasch reduziert werden, steht im Bericht. Die Emissionen von Wärme- und der Stromverbrauch sollten weiterhin stetig reduziert werden, das Zwischenziel sei bis 2033 jedoch erreichbar.
Die guten Neuigkeiten zuerst: Letztes Jahr verbrauchte eine Winterthurer:in im Schnitt 4,3 Tonnen CO₂-Äquivalente – das sind 15 Prozent weniger als 2020. Ein CO₂-Äquivalent ist eine Masseinheit, um die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase zu vergleichen. Der Rückgang der Emissionen sei auf den Ersatz fossiler Heizungen durch erneuerbare Systeme zurückzuführen. Nicht dazugerechnet sind alle indirekten Emissionen, also Produkte und Dienstleistungen, die ausserhalb von Winterthur produziert werden. Werden sie dazugerechnet, sind es zwölf Tonnen CO₂ pro Person. Bis 2033 hat sich die Stadt das Zwischenziel gesetzt, pro Person nur noch eine Tonne CO₂ auszustossen, ohne den Konsum eingerechnet. Dieser gehört zu den indirekten Emissionen und macht zwei Drittel der Treibhausgasemissionen pro Kopf aus.
Ein weiteres Ziel der Stadt ist die 2000-Watt-Gesellschaft. Eine Person soll somit dauerhaft im Durchschnitt nur noch 2000 Watt verbrauchen. Im Jahr 2024 lag der Jahresverbrauch bei 2500 Watt, seit 2020 ist er um elf Prozent gesunken. Ein bis 2033 gesetztes Zwischenziel wurde schon jetzt erreicht.
Das letzte Ziel ist der Ausstieg aus der Atomenergie bis 2050. Dieses wurde 2022 erreicht. Es gab zwar 2024 eine Initiative der SVP, die eine Wiedereinführung eines Stromprodukts mit Atomenergie verlangte, welche jedoch vom Volk abgelehnt wurde.
Bei der Stadtverwaltung sieht es nicht ganz so erfolgreich aus. Bis 2035 möchte sie CO₂-neutral sein. Im Jahr 2024 sind die Emissionen auf 362’000 Tonnen CO₂-Äquivalente gestiegen, davor waren es 340’000 Tonnen. Ein Grossteil dieser Emissionen entsteht durch Dienstleistungen an die Bevölkerung.
Zum Beispiel durch Bauprojekte – was den Anstieg letztes Jahr erkläre. Unter anderem seien aber Baumaterialien für den Ausbau des Fernwärmenetzes und anderen treibhausgassenkenden Projekten verwendet worden. Ausserdem seien drei Jahre eine schmale Datenbasis, um eine Entwicklung zu erkennen. «Grundsätzlich befindet sich die Stadtverwaltung bei den ‹eigenen Aufgaben› auf Kurs», steht es im Bericht, Netto-Null bis 2035 sei also erreichbar.
Auch im Umweltbericht heisst es, dass Netto-Null 2040 noch vor grossen Herausforderungen bei Mobilität und Konsum steht. Um die Ziele zu erreichen, müsse sich die Stadt «zusätzlich anstrengen».
Der Bericht führt aus, welche Funktionen die städtischen Grünflächen haben und wie es mit der Biodiversität aussieht.
Auch zur Wasser- und Luftqualität gibt es Zahlen. Die Belastungen durch Feinstaub und Stickstoffdioxid nahmen ab, wobei die Stickoxid-Belastung an stark befahrenen Strassen zu hoch ist. Auch die Russbelastung überschreitet den Grenzwert der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene. Gemessen wird sie seit 2015 in Veltheim.
Im Zusammenhang mit dem Projekt «Schwammstadt» wurden an der Rotenbrunnenstrasse und beim Schwimmbad Wülflingen versiegelte Parkplätze durch Grünflächen ersetzt oder mit einem wasserdurchlässigen Belag ausgestattet. An der St.Gallerstrasse, Römerstrasse und in den Quartieren Feld und Ziel sollen ähnliche Entsiegelungen durchgeführt werden.
Die Grünen anerkennen, dass einige Fortschritte erzielt werden konnten, aber weisen darauf hin, dass es bei vielem noch keine Verbesserung gibt. Dies teilte die Partei in einer Medienmitteilung mit. Auch bemängeln sie eine fehlende Einschätzung im Umweltbericht zu den Zahlen. «Eine statische Momentaufnahme sagt wenig aus», schreiben die Grünen. Sie verlangen «wirksamere Massnahmen» bei der Mobilität und drängen darauf, die «Fachstelle für nachhaltige Mobilität» endlich zu errichten.
Wie die Stadt zu ihren Klimazielen kam
2012 nahm die Stimmbevölkerung den Gegenentwurf der Initiative «Winergie 2050» an. Das Ziel damals war, bis 2050 nur noch 2000-Watt pro Person zu verbrauchen, sowie einen pro-Kopf Ausstoss von zwei Tonnen CO₂-Äquivalente. Mit dem «Ja» 2021 zum Klimaziel «Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2040» verschärfte die Bevölkerung diese Ziele. Gleichzeitig setzte der Stadtrat für die Verwaltung das Netto-Null-Ziel bis 2035. Die Annahme der Gegenvorschläge 2024 zu den «Stadtklima-Initiativen» bestätigte ein weiteres Mal den Willen nach einer aktiven Umweltpolitik. Somit hat sich die Bevölkerung drei Klimaziele gesetzt: Netto-Null 2040, 2000-Watt-Gesellschaft und Atomstrom.
Kiino kommt nicht nur aus Winterthur, sondern auch aus der Talentschmiede des ZHAW-Studiengangs Kommunikation. Ihr erster Text im Kulturmagazin Coucou war ein Wurf. Umso schöner, entschied sie sich für ein viermonatiges Praktikum bei WNTI.